Bild zur Verfügung gestellt von: Stefan Ritsche
Liebe Leserinnen und Leser,
in diesem Bereich lassen wir andere Heilberufler zu Wort kommen. Viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen sind bestrebt, Lösungen zu finden, die den Praxisalltag erleichtern sollen. Im folgendem Gast-Beitrag gibt Stefan Ritsche Praxis-Tipps, wie Sie damit umgehen sollten, wenn Ihnen Patienten häufig kurzfristig absagen.
Praxis-Tipp:
Was mache ich, wenn ein Patient (oft) kurzfristig absagt?
Vielleich arbeiten Sie bereits eine Zeit lang als Therapeut, Arzt oder Coch oder haben gerade erst begonnen: Immer wieder gibt es Patienten (Clienten), die einen verabredeten Termin kurzfristig absagen.
Und schon beginnt Ihr Gedankenkarussel: Vielleicht denken Sie … „Bin ich nicht gut genug?“, „Mist, ich habe doch eh noch nicht soviele Patienten …!“ Die Beobachtung ihrer Gedanken ist nun eine spannende Sache, denn sie verrät mehr über Sie selbst als über Ihren Klienten.
Was Ihren Patienten anbelangt, so kann es einige Gründe für die Absage geben: Eine Erkrankung, andere Prioritäten, vielleicht hat er heute keine Lust zur Therapie oder er handelt mit der Absage aus einem Widerstand heraus, der in der letzten Sitzung genährt wurde.
Aber was passiert gerade mit Ihnen?
Fühlen Sie sich gekränkt? Dann nehmen Sie die Absage persönlich, sehen darin einen persönlichen Angriff. Das kann damit zusammenhängen, dass Prozesse aus der Kindheit noch nicht gut verarbeitet wurden. Denn wenn wir als Kind gekränkt wurden und dies gezeigt haben, so haben sich die Erwachsenen meist um uns gekümmert. Dieses Verhalten kann unsere Psyche als hilfreich abspeichern. Nun sind wir aber erwachsen und je nach persönlichem Reifeprozess erleben wir diese Situation mehr oder weniger als Kränkung.
Haben Sie Angst? Die Situation ist unangenehm für Sie, denn Sie merken, dass Sie dem Patienten die Konsequenzen seines Verhaltens bislang noch nicht mitgeteilt haben. Ein Umstand, der sich auf viele Bereiche Ihres Lebens übertragen lässt? Haben Sie die Angst, von anderen Menschen nicht geliebt zu werden? Übernehmen Sie in solchen Fällen lieber die Verantwortung für fremde Situationen und andere Menschen?
Werden Sie wütend? Haben Sie gerade Lust, dem Patienten deutlich Ihre Meinung zu sagen? Wut ist unser Beschützer und zeigt uns, wo unsere Grenzen liegen, die wir häufig aus Höflichkeit, Rücksichtnahme oder Angst nicht setzen. Überlegen Sie, ob Sie irgendwo Grenzen setzen sollten und suchen Sie andere Möglichkeiten, mit Ihrer Wut umzugehen.
Haben Sie Sorge, den Patienten zu verlieren? Ist es die Angst, dass Ihr Patient nie wiederkommt, wenn Sie die Situation offen ansprechen? Was genau löst diese Angst aus? Haben Sie eventuell Probleme mit dem Loslassen und verhalten sich deshalb nicht so, wie Sie es gerne würden?
Oder sind Sie gelassen? Sie nehmen die Absage hin und freuen sich über die freie Zeit. Das deutet darauf hin, dass Sie die Situation nicht persönlich nehmen und kein Problem damit haben.
WIE KÖNNEN SIE REAGIEREN?
Sprechen Sie das Thema offen an – so hat der Patient die Möglichkeit, sich das eigene Verhalten bewusst zu machen und zu erkennen, was damit bei anderen Menschen ausgelöst wird. Allerdings sollten sie dies nie als Vorwurf konfrontieren: „Ich habe gemerkt, dass Sie die letzten Sitzungen kurz vorher abgesagt haben. Ich hatte die Stunden für Sie reserviert und hatte fest mit Ihrem Kommen gerechnet . Ihre Absage kam für mich (jeweils) überraschend. Wie geht es Ihnen jetzt damit, nachdem ich es angesprochen habe?“
Es kann sein, dass der Patient sein Verhalten anschließend dennoch rechtfertigt. Darauf können Sie offen und spiegelnd reagieren: „Ich nehme wahr, dass Sie sich bemühen, Ihr Verhalten zu erklären. Was ändert sich bei Ihnen, wenn ich die Gründe verstehe, aus denen Sie abgesagt haben?“
Unabhängig von den Gründen der Absage sollten Sie Ihrem Patienten die Konsequenzen seines Verhaltens ankündigen:
„Da Sie Ihre letzten Termine kurzfristig abgesagt haben, konnte ich sie nicht an andere Patienten vergeben. Daher werde ich Ihnen in Zukunft Termine, die weniger als 24 Stunden vorher abgesagt werden, in Rechnung stellen müssen.“
Nun liegt die Verantwortung für das Verhalten des Patienten wieder bei ihm selbst. Auf diese Weise kann er lernen, die Folgen seines Handelns selbst zu tragen und kann selbstbewusster mit entsprechenden Situationen umgehen.
Arbeiten Sie psychotherapeutisch mit Ihrem Patienten, so können Sie weiter auf dieses Thema eingehen und fragen, wie es ihm damit geht, dass Sie zukünftig kurz vorher abgesagte Termine in Rechnung stellen werden. Sagen Sie ihm, wenn Sie merken, dass ihn das direkte Ansprechen des Themas unangenehm berührt hat und fragen Sie, was nun in ihm vorgeht.
Auch die genannten Gründe für die Absage können Sie offen ansprechen:
„Sie sage, dass wichtige Termine dazwischen gekommen sind. Auf einer Skala von 1-10: Wie wichtig ist Ihnen die Therapie?“
„Ist es für Sie vorstellbar, dass unbewusste Anteile in Ihnen Sie krank werden lassen könnten, damit Sie nicht zu unserem Termin kommen müssen?
„Zuletzt haben wir das Thema xy angesprochen. Seitdem hatten Sie keinen Termin mehr wahrgenommen. Könnte es einen Zusammenhang geben? Haben Sie vor etwas Angst?“
Zusammenfassend stellen wir fest, dass Sie dann in der Lage sind, dem Patienten die Verantwortung für sein Handeln zu überlassen, wenn Sie die Absage nicht persönlich nehmen. Und eine solche Situation können Sie gut therapeutisch nutzen.
Stefan Ritsche arbeitet als Coach und Heilpraktiker für Psychotherapie in eigener Praxis und bereitet Schüler auf die staatliche Prüfung zum HP Psych vor. Als Mitautor schrieb er das „Praxisbuch Heilpraktiker für Psychotherapie“ (Elsevier Verlag) und wirkt als Mentor für Heilpraktiker und Coaches in der Ausbildung und in herausfordernden Situationen in der praktischen Arbeit. Bei WBSIN bloggt Stefan Ritsche immer wieder zu relevanten Praxisthemen.
Mehr Informationen zu Stefan Ritsche erhalten Sie unter: www.stefan-ritsche.de