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Digitalisierung
in der Psychotherapie
Liebe Leserinnen und Leser,
die Digitalisierung schreitet auch in den Bereichen Psychologie und Psychotherapie voran. Ihre Patienten können und wollen sich vorab über Gesundheitsthemen informieren und an Entscheidungen, die ihre Gesundheit betreffen, mitwirken [1,2]. Mittlerweile können sich Patienten über viomedo regelmäßig klinische Studien zu ihrem Krankheitsbild schicken lassen und werden über laufende Studien in Ihrer Umgebung informiert, an denen sie teilhaben können. Aber auch die Art der Behandlung ändert sich. Online-Sprechstunden sind keine Zukunftsmusik mehr. Anbieter sind beispielsweise patientus, die Video-Sprechstunden anbieten oder Ipso, die sich auf die psychosoziale Betreuung von traumatisierten Menschen via Online-Videokonsultation spezialisiert haben. Abgesehen von diesen Anbietern gibt es auch schon erste Praxen, die Onlie-Therapien anbieten, so zum Beispiel die Praxis Paulus oder die Praxisgemeinschaft für Psychotherapie Dr. Shaw & Kollegen. Eine ganze Liste mit Psychologischen Online-Beratern ist auf der Seite des Bundesverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) zu finden.
Gleichzeitig boomt die Behandlung psychischer Probleme mit Hilfe von Apps und Internetprogrammen. Zwar sollen und wollen diese den Psychotherapeuten nicht ersetzen, die psychotherapeutische Behandlung aber ergänzen. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass Psychotherapeuten sich mit den Trends und Möglichkeiten die medizinsche Apps und Internetprogramme bereitstellen, auskennen müssen. Denn derzeit sind E-Helath Produkte Trend und sie werden es bleiben. Darüber hinaus nutzen Krankenkassen bereits Internetprogramme für psychische Erkrankungen um sich von ihrer Konkurrenz abzugrenzen [3] und die BundesPsychoterapeutenKammer (BPTK) fordert, das nachweislich wirksame Internetprogramme in die Regelversorgung aufgenommen und allen Versicherten zur Verfügung gestellt werden- auf Kosten der Krankenkassen [3]. Spätestens sobald dies der Fall ist, werden Sie sich dieser Entwicklung stellen und sich mir ihr befassen müssen. Eine Checkliste, mit der Therapeuten und Patienten beurteilen sollen, ob ein Online-Angebot empfehlenswert ist, hat die BPTK bereits veröffentlicht: http://www.bptk.de/uploads/media/20170627_patienten-checkliste.pdf.
Um Sie jetzt schon ein bisschen Fit für die Zukunft zu machen, möchte ich Ihnen einige Apps und Internetprogramme vorstellen, die derzeit auf dem Markt sind und denen Sie in Ihrem weiteren Arbeitsleben vielleicht begegnen werden.
Psychotherapeutische Apps
Einige interessante Apps für Psychotherapeuten und ihre Patienten habe ich im Blog Apps für Psychotherapeuten bereits für Sie zusammengestellt und verzichte deshalb an dieser Stelle auf die Aufzählung. Nur so viel: Die Entwicklung solcher Apps wird von zahlreichen Universitäten, Kliniken, Verbänden, Stiftungen und Krankenkassen gefördert. Es ist also auch hier davon auszugehen, das medizinische Apps immer mehr Eingang in die therapeutische Behandlung finden werden.
Psychotherapeutische Internetprogramme
Selbsthilfekurse mit Hilfe von Onliekursen für Depressionen, Angststörungen und Burnout bietet Selfapy. So können Patienten, die sonst lange auf einen Therapieplatz warten, die Wartezeit sinnvoll überbrücken. Die Programme können von Betroffenen zunächst kostenlos gestest. Ebenso können diese ein kostenfreies Erstgespräch mit einem der Therapeuten via Chat oder Telefon führen. Die Kurse selbst basieren inhaltlich auf den Grundsätzen der Verhaltenstherapie. Entscheiden sich die Betroffenen für einen Online-Selbsthilfekurs, werden Sie therapeutisch in Form von einem wöchentlichen Psychologengespräch begleitet. Zusätzlich können sich die Kursteilnehmer im Online-Forum austauschen oder Expertenfragen an die Therapeuten stellen, die das Forum betreuen. Alle angebotenen Kurse von Selfapy dauern 9 Wochen, wurden vorab von der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf evaluiert und für wirksam befunden. Erstattbar ist allerdings nur der Burnout-Kurs. Die Kosten für die anderen beiden Kurse müssen von den Betroffenen selbst getragen werden.
Ein weiteres Online-Therapieprogramm zur Behandlung von Depressionen stammt von deprexis® 24. Dieses Programm kann sehr gut als Ergänzung zur eigentlichen Therapie eingesetzt werden. Auch dieses Online-Programm wurde in mehreren Studien in Bezug auf Wirksamkeit, Sicherheit und Einsatzgebieten untersucht und dauert 3 Monate. Auch dieses Programm orientiert sich vorwiegend an den Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Ähnlich wie bei selfapy arbeiten die Patienten die Inhalte des Therapieprogramms durch. Zusätzlich bekommen die Patienten E-Mails oder SMS um die Kerngedanken der Übungen vertiefen zu können. Mit Hilfe der Cockpit-Funktion können Sie als Therapeut, mit Einverständnis Ihres Patienten, Informationen über das Nutzungsverhalten Ihres Patienten, wie etwa der Nutzungshäufigkeit, erhalten. Weiter können Therapeuten sehen, welche Themen der Patient bereits bearbeitet hat, bzw. welche noch bearbeitet werden müssen. Vor jeder Sitzung kann der Therapeut zudem in einer graphischen Übersicht die aktuelle Stimmungslage seines Patienten einsehen. Um den Therapiefortschritt zu beurteilen, können Sie als Therapeut die Auswertung des PHQ-9 Fragebogens einsehen, die vom Patient alle 2 Wochen ausfüllt wird. Für DAK-Versicherte ist die Teilnahme am Programm kostenlos.
Auch die TK hat in Zusammenarbeit mit dem Psychologen Prof. Dr. Christiane Knaevelsrud von der freien Universität Berlin ein Online-Therapieangebot für seine Patienten mit entwickelt und evaluiert. Auch der DepressionsCoach beruht inhaltlich auf dem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz und ist für Patienten mit leichten bis mittelschweren Depressionen gedacht. Die Dauer des Programms beträgt etwa 6 Wochen. Die Schwerpunkte des internetbasierten Beratungs-und Trainingsprogramms liegen im Erlernen neuer angenehmer Verhaltensweisen, der Stärkung des Wohlbefindens sowie persönlicher Ressourcen und dem Hinterfragen und verändern von ungünstigen Gedanken- und Verhaltensmustern. Ähnlich wie in den anderen beschriebenen Programmen bearbeiten auch hier die Teilnehmer Module und bearbeiten Aufgaben. Auch hier besteht während des Programms Kontakt zum Therapeuten, in Form von schriftlicher Rückmeldung. Sollten Patienten eine zunehmende Verschlechterung Ihres Befindens feststellen, erhalten Sie auf der TK-Seite über den Notfall-Knopf die Kontaktdaten der Telefonseelsorge sowie des TK-Ärzteteams sowie weitere Informationen zum Thema Depression und Selbstmordgedanken. Ein Modul zur Rückfallprognose soll die Erkenntnisse aus dem DepressionsCoach-Programm längerfristig im Leben des Patienten verankern. Das DepressionsCoach-Programm richtet sich an Betroffenen, die noch keine psychotherapeutische Behandlung begonnen oder verbindlich geplant haben.
Auch andere Krankenkassen wie die Barmer (Gesundheitstraining Online) oder die AOK Rheinland/Hamburg (net-step Internet-Therapie) fördern Online-Therapien.
Eine Plattform, mit der Patienten zusammen mit Ihrem Behandler individuelle Selbsthilfemodule zusammenstellen können, bietet minddistrict. Dabei wählen Patienten und Behandler einzelne Elemente aus der Minddistrict-Platform aus, diese werden dann vom Patienten bearbeitet und die Ergebnisse mit dem Therapeuten besprochen. Die Module (Tagebücher, Lektionen) können angepasst, erweitert oder gekürzt werden. Hintergrund dieser Vorgehensweise ist die Annahme, dass Patienten mit der selben Diagnose mit Beschwerden unterschiedlich umgehen und verschieden erfahren. Minddistrict kann aber auch von Patienten vor einer Therapie zur Überbrückung eingesetzt werden oder zur Nachsorge.
Doch wie sieht es mit der Wirksamkeit, den Möglichkeiten, Grenzen, Risiken und Besonderheiten der therapeutischen Beziehung von Online-Therapien aus? Erfahren Sie dazu mehr in unserem Blogeintrag: Wirksamkeit von Online-Psychotherapien.
Literaturverzeichnis:
1. Hamann, J., Neuner, B., Kasper, J., Vodermaier, A., Loh, A., Deinzer, A., … & Spies, C. (2007). Participation preferences of patients with acute and chronic conditions. Health Expectations, 10(4), 358-363.
2. Feldman‐Stewart, D., Brennenstuhl, S., McIssac, K., Austoker, J., Charvet, A., Hewitson, P., … & Whelan, T. (2007). A systematic review of information in decision aids. Health Expectations, 10(1), 46-61.
3. Bundestherapeutenkammer (2017). Internet in der Psychotherapie.Verfügbar unter: http://www.bptk.de/uploads/media/BPtK-Standpunkt_-_Internet_in_der_Psychotherapie.pdf Stand: 20.07.2017.
Interessante Arbeiten zum Thema Psychotherapie via Videotelefonie und Skype von Kristina Barthofer und Andrea Reisinger ist für interessierte online verfügbar:
Psychotherapie via Internet (Am besonderen Beispiel von Voice over IP mit Skype). Verfügbar unter http://www.gestalttherapie.at/graduierungsarbeiten_oeffentlich/ga_kristina_barthofer.pdf. Stand: 20.07.2017.
Psychotherapie mit Videotelefon -Telemental Health by using Videoconferencing. Verfügbar unter: http://www.e-beratungsjournal.net/ausgabe_0112/reisinger.pdf Stand: 20.07.2017.