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Sind medizinische und
Gesundheitsinformationen auf den Internetseiten von
Wikipedia evidenzbasiert?

Ausgangslage dieser Studie war die Erkenntnis, das Patienten zunehmend an medizinischen Entscheidungen teilnehmen möchten (Hamann et al., 2007, Sawicki, 2005). Um diesem Bedürfnis nachzukommen, werden umfassende und evidenzbasierte Informationen benötigt, die einerseits verständlich und andererseits ausgewogen präsentiert werden müssen (Entwistle et al., 1996, Hamann, 1998). Zwar berichten die Autoren, dass deutsche Patienten zum Zeitpunkt der Studie vorrangig Ärzte und Krankenkassen nutzen um sich medizinische Informationen einzuholen, doch hat seit damals hat das Internet stetig an Bedeutung zugenommen. Eine der weltweit am häufigsten besuchte Internetseite war schon damals die freie Internetenzyklopädie Wikipedia, die unter anderem auch Gesundheitsinformationen anbietet.

Nach Meinung der Autoren ist aus mehreren Gründen fragwürdig, ob die Gesundheitsinformationen auf Wikipedia eine ausreichend hohe Qualität besitzen:

  1. Jeder Internetnutzer kann Artikels chreiben und bestehende verändern.
  2. Die Identität der Autoren ist nicht überprüfbar, was eine Beurteilung ihrer Sachkompetenz erschwert und eine Zugehörigkeit zu bestimmten Interessengruppen nicht offen legt. Somit könnten die Informationen falsch, unvollständig und verzerrt sein.

Aus diesem Grund untersuchten Mühlhauser und Oser (2008)  in Ihrer Studie die Qualität von medizinischen Informationen von von Wikipedia, der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) und der Technikerkranken-
kasse (TK) nach Kriterien für erevidenzbasierte Patienteninformationen (EBM). Dabei bewerteten sie nicht nur den Inhalt, sondern auch die Präsentation.

Zunächst überlegten sich 22 Studierende der Gesundheitswissenschaften je eine Fragestellung und erarbeiteten anschließend die wissenschaftliche Beweislage zu ihrer Frage. Diese Ergebnisse dienten dann als Referenz bei der Bewertung der Informationen auf den drei Internetportalen. Bei der Bewertung nutzten sie zudem den Kriterienkatalog basierend auf den ’’Kriterien für evidenzbasierte Patienteninformationen’’ von
Steckelberg et al. (2005).

Überraschend war das Ergebnis: Die Qualität der Informationen von Wikipedia und den zwei großen gesetzlichen Krankenkassen war vergleichbar. Unterschiede gab es nur in Bezug auf die spezifischen Charakteristiken der Anbieter, wie Autorennennung, Angaben zu Interessenkonflikten und Unterstützungsangeboten. Darüber hinaus wurden die Informationen auf den Seiten der Krankenkassen
in der Tendenz als besser verständlich bewertet. Insgesamt waren die Informationen auf den untersuchten Seiten nur in wenigen Fällen falsch, aber es fehlten viele relevante Informationen, wie die Kommunikation von
Wahrscheinlichkeiten für Erfolg, Misserfolg und Nebenwirkungen von Interventionen sowie die Darstellung von Risiken. Im Durchschnitt teilweise erfüllt waren Angaben zum Ziel der Interventionen,dem natürlichen Verlauf der Erkrankung und Interventionsmöglichkeiten.

Fazit:

Weder Wikipedia noch die überprüften Krankenkassen erfüllten zum Zeitpunkt der Untersuchung die Kriterien für eine qualitativ hochwertige evidenzbasierte Patienteninformation.

Insgesamt stellten die Autoren fest, dass es nur wenige Institutionen gibt, evidenzbasierte Informationen anbieten. Hierzu gehöre das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
(IQWIG). Selbst bekannte Instrumente zur Bewertung von Gesundheitsinformationen im Internet wie HON oder DISCERN berücksichtigen weder die Evidenz des medizinischen Inhalts noch die Darstellung von Risiken (Köpke et al., 2005).

 

Entwistle V. A., Sheldon T. A., Sowden A. J, WattI S. (1996). Supporting consumer involvement in decisionmaking: what constitutes quality in consumer health information? Internat J Quality in Health Care, 8, 425–37.

General Medical Council (1998). Protecting patients, guiding doctors. Seeking patients’ consent: the ethical considerations.

Hamann J, Neuner B, Kasper J, et al. (2007). Participation preferences of patients with acute and chronic conditions. Health Expectations,10, 358–63.

Köpke S, Berger B.,Steckelberg A, Meyer G. In Deutschland gebräuchliche Bewertungsinstrumente für Patienteninformationen –eine kritische Analyse. Z Arztl Fortbild Qualitatssich, 99, 353–7.

Mühlhauser, I., & Oser, F. (2008). Sind medizinische und Gesundheitsinformationen auf den Internetseiten von Wikipedia evidenzbasiert?–Eine Inhaltsanalyse. Zeitschrift Für Evidenz, Fortbildung und Qualität Im Gesundheitswesen, 102(7), 441-448.

Sawicki P. T. (2005). Qualität der Gesundheitsversorgung in Deutschland–Ein randomisierter Sechs–Länder-Vergleich aus Patientensicht. MedKlin,100(11), 755–68.

Steckelberg A., Berger B., Köpke S., Heesen C., MühlhauserI.(2005). Kriterien für evidenzbasierte Patienteninformationen. Z Arztl Fortbild Qualitatssich 2005 (99), 343–51.

 

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