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Psychotherapeuten und Internet
Eichenberg und Kienzle (2013) haben in Ihrer Studie das Ausmaß des Einsatzes neuer Medien untersucht und deren Akzeptanz seitens der Psychotherapeuten exploriert.
Zur Beantwortung Ihrer Fragen befragten die Autoren 234 ärztliche und psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichentherapeuten aus Nordrhein-Westfalen online. Das Durchschnittsalter betrug dabei 50,8 Jahre. An der Studie nahmen Therapeuten mit unterschiedlichen therapeutischen Ausrichtungen teil: verhaltenstherapeutisch-, tiefenpsychologisch-fundiert, psychoanalytisch-, systemischorientiert. Zudem auch Therapeuten, die mehrere theoretische Ansätze in ihre Arbeit integrierten.
Die Mehrheit der befragten Psychotherapeuten (64,4%) berichteten, dass Sie den Eindruck hätten, ihre Patienten seien heutzutage informierter als noch vor der Ära des Internets. Dies betreffe vor allem Informationen der Patienten hinsichtlich potenzieller Diagnosen (90%). Die Therapeuten berichteten häufig mit Fragen nach Behandlungsoptionen und mit Erfahrungen anderer Patienten (jeweils 78%) konfrontiert zu werden.
Dabei sahen die Befragten das bessere Wissen der Patienten bezüglich ihrer Krankheit, dem Krankheitsverlaufs und der Behandlungsmöglichkeiten (73,3%) als Vorteil, da sich dies positiv auf die gemeinsame Entscheidungsfindung (50%) auswirke und die Kommunikation vereinfache (48,7%). Mehrheitlich wurde auch die Eigeninitiative des Patienten, sich vor oder während einer bereits laufenden Behandlung im Internet zu informieren, von den Therapeuten als hilfreich angesehen (n=81; N=192). Häufiger erwähnt wurde in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, an das bereits vorhandene Wissen in der Sitzung anknüpfen zu können (n=28) sowie die Möglichkeit des Patienten, seine Eigenverantwortung, -initiative und sein Selbstbewusstsein zu stärken (n=25).
Als Herausforderung gaben die befragten Therapeuten die Zunahme der Gesundheitsängste der Patienten (60%), gefährliche Selbstdiagnosen und -behandlungen (43,3%) und falsch informierte Patienten (42%) an, die von den Befragten eher als Behinderung des Therapieprozesses (n=12) eingeschätzt wurden.
Doch wie steht es mit der Nutzung von internet-und SMS-basierter Interventionsmöglichkeiten aus?
Fast alle befragten Psychotherapeuten (92,3%) nutzen die Möglichkeit mit Ihren Patienten per E-Mail zu kommunizieren und zwar unabhängig vom Alter, dem Geschlecht, der therapeutischen Ausrichtung oder der jeweiligen Berufsgruppe. Auch das Handy wird von den meisten Therapeuten genutzt: Knapp zwei Drittel der befragten Psychotherapeuten (63,7%) gaben an, ihre Mobiltelefonnummer ihren Patienten mitzuteilen. Dabei geben die Befragten Therapeuten an, ihre Mobilfunknummer am häufigsten an Patienten mit Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, affektiven Störungen oder Belastungs- und Anpassungsstörungen herauszugeben.Für die gleichen Störungsgruppen nutzen die Befragten größtenteils die Kommunikation per E-Mail.
Anders sieht es hingegen bei therapeutischen Angeboten via Internet (z. B. Beratungsangebote via E-Mail, Bereitstellung von Informationsmaterialien) aus. Diese Möglichkeiten wurden nur von knapp 10 % der Befragten genutzt. Dabei zeigten sich signifikante Korrelationen zwischen der Bereitstellung therapeutischer Internetangebote und der Berufsgruppe (Therapeuten mit mehreren Berufsausbildungen bieten im Verhältnis häufiger solche Leistungen an als „reine“ Mediziner und Psychologen) sowie dem technischen Wissen.
Insgesamt waren die meisten befragten Psychotherapeuten Onlineberatungsangeboten gegenüber eher neutral eingestellt. Wobei Teilnehmer mit zunehmendem Alter Onlineberatungsangebote negativer beurteilten als ihre jüngeren Kollegen. Ebenso bewerteten Psychotherapeuten, die sich im Durchschnitt besser mit Computern auskennen, Onlineberatungsangebote positiver als Kollegen mit geringeren Kenntnissen. Darüber hinaus schätzten von den befragten Therapeuten, diejenigen, die bereits Angebote im Internet zur Verfügung stellen, Onlineberatungsangebote im Durchschnitt positiver ein als solche, die (noch) keine therapeutischen Onlineangebote offerierten.
Fazit:
Knapp 44 % der Deutschen würden auf internetbasierte psychologischen Hilfsangebote im Bedarfsfall zurückgreifen (Eichenberg u. Brähler 2012).Psychotherapeuten sind aktuell in einem gewissen Ausmaß bereit diesem Wunsch entgegen zukommen. Nach Auffassung der Autoren steht die Psychotherapieforschung aktuell vor der Aufgabe, zu ergründen, für welche Patienten, mit welchen Störungen (und welche anderen soziodemografischen und persönlichkeitsspezifischen Variablen) in welchen Behandlungsphasen welche Formen der modernen Medienunterstützung über die mit dem herkömmlichen Versorgungsangebot erreichten Effekte hinausgehende positive Wirkungen erreicht werden können.
Eichenberg, C. & Kienzle, K. (2013). Psychotherapeuten und Internet Einstellung zu und Nutzung von therapeutischen Onlineangeboten im Behandlungsalltag. Psychotherapeut, 58 (485).
Eichenberg C, Brähler E (2012). Neue Medien und psychische Gesundheit. Eine repräsentative Befragung deutscher Bundesbürger. (in Vorbereitung).
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